Umgangsformen & Bräuche in Holland

Nützliche Tipps für Verabredungen

Umgangsformen & Bräuche in Holland

Die niederländischen Umgangsformen scheinen im Vergleich zu den deutschen sehr informell zu sein; man wird z. B. schnell geduzt, und schon bei der ersten Begegnung werden oft Angelegenheiten aus dem Privatleben erzählt.

Dennoch verbirgt sich hinter dieser Offenheit ein deutliches Gefühl für den richtigen inneren Abstand und Hierarchie. Das ist etwas, was man erspüren muss. Wem das nicht gelingt und wer den Niederländern dadurch zu nah kommt (oder auch zu distanziert bleibt) wird nicht brüskiert, aber belächelt.

Ein wesentliches Merkmal des niederländischen Charakters ist die Ehrlichkeit. In Verhandlungen oder Gesprächen kann das oft recht konfrontierend sein, da schnell konkrete und kritische Fragen und Bemerkungen geäußert werden. Der Vorteil davon ist jedoch, dass beide Gesprächspartner wissen, wo sie stehen. Raffinierte und hinterlistige Schachzüge sind den Niederländern fremd.

Geschäftsverhandlungen sowie ernste und weniger ernste Gespräche werden oft beim kopje koffie geführt, d. h. einer Tasse Kaffee zwischen 10 und 11 Uhr morgens. Das kopje koffie ist eine feststehende Einrichtung, und nichts kann so wichtig sein, dass es dafür nicht unterbrochen werden könnte. Im Sommer findet dieses Ritual manchmal auch auf der Straße vor dem eigenen Haus statt und verleiht dem Leben dadurch einen fast südländischen Reiz.

Verabredungen in den Niederlanden

Wird man bei jemandem zu Hause zum Essen eingeladen, so darf man nicht, wie es in Deutschland üblich ist, pünktlich sein; man läuft sonst Gefahr die Gastgeberin noch im Bademantel anzutreffen. Eine Viertel- bis sogar halbe Stunde später zu kommen, ist gebräuchlich. Das gilt nicht für Verabredungen im Restaurant, es sei denn, es handelt sich auch dort um eine Einladung innerhalb einer geschlossenen Gesellschaft. Kleine Mitbringsel (wie z. B. Pralinen) bei solch einer Gelegenheit finden die Niederländer nett, vor allem als symbolischen Ausdruck des Respekts.

Möchte man einen neuen Geschäftspartner oder eine Bekanntschaft näher kennen lernen, findet man aber ein Abendessen mit dieser Person noch zu nah, so veranstaltet man mit ihm einen borrel. Der borrel in den Niederlanden gehört zu den wichtigsten sozialen Events, er ist ein Stück Volkskulturgut geworden. Man versteht darunter einen Aperitif mit meistens Häppchen, ähnlich den spanischen Tapas. Die Spannbreite des Borrels reicht von einem Glas Wein oder Bier mit ein paar Nüssen bis zu einem ausgebreiteten Büffet mit raffiniertester Auswahl und Champagner. Das wesentliche Charakteristikum dabei bleibt die „offene“ Situation, in der man weder an die Person, mit der man es zu tun hat, noch an den Ort, an dem es stattfindet, zu stark gebunden ist (und die den Niederländern als Seefahrervolk natürlich sehr nahe ist).

Eng verbunden mit dem Begriff des Borrels ist der Begriff der Geselligkeit. Gezelligheid kommt dem deutschen Begriff der Gemütlichkeit wohl am nächsten, das Wort wird sehr oft gebraucht und ist den Niederländern sehr wichtig, Nederlandse Gezelligheid charakterisiert eine ganz bestimmte Stimmung zusammen in der Wärme einer Stube (oder eines Zeltes) mit Kaffee oder Jenever. Sie macht das Leben warm, wenn draußen der kalte Wind ums Haus (oder ums Zelt auf einem Campingplatz) pfeift.

Ein weiterer wichtiger Brauch ist das Verteilen von Beschuit met muisjes bei der Geburt eines Kindes. Beschuit met muisjes ist ein runder Zwieback, bestreut mit rosa oder himmelblauen und weißen, verzuckerten Anissamen, je nachdem ob es sich um ein Mädchen oder einen Jungen handelt, der geboren wurde. Den Hintergrund dieses Brauchs bilden die Maus als Fruchtbarkeitssymbol und Anis, von dem allgemein bekannt ist, dass er die Muttermilchproduktion stimuliert.

Bei der Geburt eines Königskindes wird im ganzen Land entsprechend dem Hause Oranje oranger Beschuit met muisjes verteilt. Über die Karawanen niederländischer Wohnwagen, die über deutsche Autobahnen kriechen, ist schon viel gespottet worden, und die Tatsache, dass die Niederländer ihren Pindakaas (Erdnussmus) bis ans andere Ende der Welt mitschleppen, wurde oft ihrem Geiz zugeschrieben. Ich glaube, dass es die Kombination einer bestimmten Sparsamkeit ist mit dem Bestreben, im Hinblick auf ihre Seefahrerahnen in jeder Situation überlebensfähig und unabhängig zu sein.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus Leben und arbeiten in den Niederlanden. Klicken Sie hier, um ein Exemplar zu bestellen.

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